D Ersteinschätzung und Bewertung der trophischen Situation

Wolfgang Hofmann
 
In dem Bericht über die Ergebnisse der ersten fünf Jahre des Seen-Beobachtungsprogramms wurden die Schwierigkeiten erläutert, die untersuchten Seen nach ihrer Produktivität, z. B. nach den Indikatoren Nährstoffgehalt oder Sichttiefe, auf einer Trophieskala eindeutig anzuordnen und – damit zusammenhängend – zu entscheiden, ob die gemessenen Werte innerhalb der natürlichen Bandbreite liegen oder eine Belastung, z. B. durch zu hohe Nährstoffeinträge aus dem Einzugsgebiet, anzeigen (Hofmann 1998). Da inzwischen die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser für die Bundesrepublik ein Verfahren zur Trophiebestimmung und Bewertung stehender Gewässer entwickelt hat (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 1998), wurde versucht, diese Methode auf die Seen des Kreises Plön anzuwenden. Im Prinzip geht es darum, den Trophiegrad als Ist-Zustand nach den hier zur Verfügung stehenden Trophieparametern - Phosphorgehalt während der Herbstzirkulation und Sommer-Sichttiefe – zu ermitteln und diesen mit dem Referenzzustand, der den potentiell natürlichen Zustand eines Gewässers mit höchstens extensiver Nutzung des Einzugsgebietes darstellt und aus der Morphometrie des Seebeckens abgeleitet wird, zu vergleichen. Je stärker der Ist-Zustand von diesem Referenzzustand abweicht, desto schlechter ist die Einstufung auf einer Skala mit den Bewertungsstufen 1 bis 5. Die Auswertung der Daten des Seen-Beobachtungsprogramms für diesen Zweck ist in der Einleitung zum Abschnitt 2 erläutert, ausserdem ist in den Anlagen 1 und 2 zu diesem Abschnitt die Berechnung der Indices im einzelnen dargestellt. Die Ermittlung des Ist- Zustandes erfolgte hier nur aufgrund der beiden Trophie-Parameter Gesamt-Phosphor zur Zeit der Herbstzirkulation und Sommer-Sichttiefe. Die Richtlinie sieht vor, dass ausserdem die Konzentration an Gesamt-Phosphor und Chlorophyll a im Epilimnion während der Sommer- Stagnation berücksichtigt werden. Diese Daten standen nicht zur Verfügung.
 
Das in der Tabelle 3 zusammengefasste Ergebnis der Trophiegrad-Bestimmung und Bewertung der einzelnen Seen nach der Richtlinie der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (1998) bedarf eigentlich einer ausführlichen Diskussion, die im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden kann. Es muss aber zum Beispiel darauf hingewiesen werden, dass die hier verwendeten Trophiegrade (oligotroph, mesotroph, eutroph) nicht den von Thienemann (1974) so bezeichneten Seentypen entsprechen. Einige weitere Punkte sollen kurz erörtert werden:
 
Der Ist-Zustand der 45 Seen wird in 10 Fällen als mesotroph gekennzeichnet, in 12 als eutroph 1, in 11 als eutroph 2 und in jeweils 6 Fällen als polytroph 1 bzw. polytroph 2.
 
Unter den 10 mesotrophen Seen befinden sich nicht nur Gewässer wie Selenter See, Schöhsee und Suhrer See, die sich durch besonders geringe Phosphor-Gehalte und grosse Sichttiefen von den anderen Seen abhoben, sondern zum Beispiel auch Edebergsee, Grebiner See und Schierensee (Grebin). Beim Edebergsee lag der mittlere Gesamt-Phosphor-Gehalt bei 84 μg/l, was einem Trophie-Index von 2,7 und damit dem Trophiegrad eutroph 1 entspricht. Die mittlere Sommer-Sichttiefe von 2,65 m ergab einen Trophie-Index von 2,4 und lag im mesotrophen Bereich. Der aus diesen Indices bestimmte Gesamt-Index von 2,5 kennzeichnet den See als mesotroph. Genauso verhielt es sich beim Grebiner See und Schierensee.
 
Auch beim Plöner und Ascheberger Teil des Großen Plöner Sees und beim Schluensee war der Phosphor im Bereich eutroph 1 und die Sommer-Sichttiefe im mesotrophen Bereich, woraus sich eine Gesamt-Beurteilung als mesotroph ergab. Dagegen entsprachen beim Schöhsee, Selenter See, Suhrer See und Stocksee sowohl Phosphor-Gehalte als auch Sichttiefen mesotrophen Bedingungen. Das Verfahren trennt diese Seen nicht von den anderen sechs Seen ab, sondern vereint alle in der Kategorie „mesotroph“.
 

 
Am Schluss der Tabelle werden sechs ungeschichtete Flachseen als polytroph 2 zusammengefasst, die tatsächlich die höchsten Phosphor-Gehalte (122-384 μg/l) und / oder die geringsten Sommer-Sichttiefen (0,4-0,7 m) der untersuchten Gewässer hatten. Der Zustand polytroph 2 kommt „unter naturnahen Bedingungen wahrscheinlich nicht vor“ (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 1998), weist also grundsätzlich auf eine Beeinträchtigung hin. Bei den 6 Seen der Kategorie polytroph 1 waren Phosphor-Gehalte (87-136 μg/l) etwas niedriger und Sichttiefen (0,5-1,15 m) etwas höher. Auch hier handelt es sich um ungeschichtete Seen oder Kleinseen (Kleiner Madebrökensee) im Sinne der Richtlinie.
 
Die Einstufung der ungeschichteten Seen als polytroph wird nicht nur durch die tatsächlich hohen Nährstoff-Gehalte verursacht, sondern auch dadurch, dass die Anforderungen hinsichtlich Phosphor-Konzentration bei der Indexzuweisung höher sind als bei den geschichteten Seen. Zum Beispiel umfasst die Trophiestufe eutroph 1 bei den geschichteten Seen den Bereich von 69-132 μg/l Gesamt-Phosphor während der Vollzirkulation, bei den ungeschichteten Seen dagegen 23-39 μg/l. Das ist insofern verständlich, als in den geschichteten Seen sich der Phosphor-Gehalt im Epilimnion zum Sommer hin durch Sedimentation verringert, während er in den ungeschichteten Seen durch Freisetzung aus dem Sediment eher noch zunimmt. Daher muss hier die Ausgangskonzentration geringer sein. Aber hier muss für die Trophiestufe eutroph 1 nach der Richtlinie auch im Sommer der Phosphor- Gehalt mit 27-46 μg/l unter dem der geschichteten Seen (53-107 μg/l) liegen.
 
Im Grunde beschreibt die Tabelle 3 - genau wie Abb. 26 - die Abfolge von den tiefen, geschichteten Seen mit großen Sommersichttiefen, hier „mesotrophe“ Seen genannt, über die „eutrophen“ Seen zu den flachen, ungeschichteten Seen mit sehr geringen Sichttiefen, den „polytrophen“ Seen.
 
Bei der Beurteilung der oben dargestellten Zuordnung zu Trophiegraden ist zu bedenken, dass sowohl Phosphor-Gehalte als auch Sichttiefen in den einzelnen Seen von Jahr zu Jahr in vielen Fällen erheblich schwankten, und zwar oft über die Grenzen der Trophiebereiche hinaus (s. Teil 2). Hier wurden die Trophiestufen aufgrund der langfristigen Durchschnittswerte ermittelt, dabei konnte die Gesamt-Situation mit ihrer zeitlichen Variabilität nicht berücksichtigt werden.
 
Der in der Richtlinie als Referenzzustand bezeichnete Trophiegrad ist nicht als konkretes, sondern als maximal erreichbares Sanierungsziel zu verstehen. Er würde sich einstellen, wenn sämtliche Belastungen, die aus dem Einzugsgebiet kommen, abgestellt würden. Das ist aus sozio-ökonomischen Gründen in kaum einem Fall möglich (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 1998).
 
Bei der Auswertung der Daten aus dem Seen-Beobachtungsprogramm konnte der Referenzzustand nur nach den „trophiesteuernden Kenngrößen der Seebeckenmorphometrie“ und nicht zusätzlich nach dem „potentiell natürlichen Eintrag von Nährstoffen“ ermittelt werden. Im Ergebnis war der Trophiegrad des Referenzzustandes bei 3 Seen oligotroph, bei 24 Seen mesotroph, bei 17 Seen eutroph (9 eutroph 1 und 8 eutroph 2) und bei einem See polytroph 1.
 
Bei der Berechnung der Referenz-Sichttiefe ist ausser der mittleren Tiefe der Seen auch der sogenannte Tiefengradient wichtig. Letzterer beschreibt das Verhältnis der maximalen Tiefe zur Seegröße (effektive Länge und Breite). Die drei Seen mit der größten mittleren (13,7-16,3 m) und maximalen Tiefe (38-58 m), Dieksee, Großer Plöner See und Schluensee, sind in ihrem Referenzzustand oligotroph und sollten unter diesen Bedingungen mittlere sommerliche Sichttiefen (Referenz-Sichttiefen) von 6,3 m (Dieksee) bis 7,7 m (Schluensee) haben (s. Teil 2, Anhang 2). Die aktuellen Sichttiefen betragen in diesen beiden Seen 1,7 bzw. 3,2 m.
 
Die aktuell polytrophen Flachseen sollten – mit einer Ausnahme – im Referenzustand dem Trophiegrad eutroph entsprechen, was zum Beispiel beim Bothkamper See einer Zunahme der mittleren Sommer-Sichttiefe von jetzt 0,45 m auf 0,9 m entspräche, beim Postsee von 1,15 m auf 1,9 m und beim Schierensee (Wankendorf) von 0,9 m auf 1,8 m. Nur beim Dannauer See liegt der Referenzzustand wegen des besonders geringen Tiefengradienten (0,29) im Bereich polytroph 1. Um diese Bedingungen zu erfüllen, müsste seine Sommer-Sichttiefe sich von durchschnittlich 0,4 m auf 0,7 m erhöhen.
 
Bemerkenswert ist: Wenn in allen Seen der Region die bestehenden Belastungen abgestellt würden und alle Seen ihren Referenzzustand erreichten, würden die vorhandenen Unterschiede bestehen bleiben, sie würden sich nur auf der Trophieskala verschieben, und zwar von dem jetzigen Bereich mesotroph – polytroph 2 nach oligotroph – polytroph 1. Bei den Sommer-Sichttiefen würde der heutige Bereich von 5,1 m (Selenter See) bis 0,4 m (Dannauer See, Heidensee) nach 7,7 m (Schluensee) bis 0,7 m (Dannauer See) versetzt werden, d. h. die durch die Seebeckenmorphologie verursachten Trophie-Unterschiede würden erhalten bleiben.
 
Die Bewertung resultiert aus der Differenz zwischen Ist-Zustand und Referenzzustand. 11 Seen sind in der Bewertungsstufe 1, 15 in der Stufe 2, 13 in der Stufe 3, 1 in der Stufe 4 und 5 in der Stufe 5. Bei den Seen mit der Bewertung 1 stimmen Ist- und Referenzzustand überein. In 8 von den 11 Fällen handelt es sich um Seen, die als mesotroph klassifiziert worden. Bei einigen dieser Seen hängt die gute Beurteilung damit zusammen, dass durch die Art und Weise der Indexberechnung die Abschätzung des Ist-Zustandes sehr günstig ausgefallen ist (s. oben).
 
In der Tabelle 3 fällt auf, dass nach unten hin nicht nur die Trophiegrade höher werden, sondern auch die Bewertungen schlechter. Das liegt einerseits an den bereits erwähnten hohen Anforderungen an den Nährstoffgehalt bei der Berechnung des Ist-Zustandes der ungeschichteten Seen, andererseits daran, dass bei höheren Trophiegraden gleiche Abstände zwischen Ist- und Referenzzustand kritischer benotet werden. So wird der Abstand um zwei Trophiegrade zwischen mesotroph und eutroph 2 mit 3 bewertet und der zwischen eutroph 2 und polytroph 2 mit 5 (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 1998).

Literatur